Freitag, 1. September 2017

20. Christiane Schauder

 




Preußisches Alphabet

In meiner Arbeit Preußisches Alphabet setze ich mich mit dem Verhältnis zwischen einzelnen Menschen als Soldaten und einem autoritären System auseinander, in welchem Zucht und Ordnung, Gehorsam, Unterwürfigkeit und Pflichtbewusstsein als absolute Tugenden gelten. Beim Rundgang durch die furchteinflößenden Gemäuer der riesigen Festung stößt man immer wieder auf architektonische Hinterlassenschaften, die beredtes Zeugnis vom Alltag der Menschen ablegen, die sich massenweise, mehr oder weniger freiwillig, in ein militärisches System ergeben haben, in dem der Einzelne nichts und die Staatsmacht alles bedeutet. Wer kennt nicht die Geschichte vom Hauptmann von Köpenick, die uns zeigt, wie sich Macht und Untertanengeist alleine durch eine Uniform auch in der zivilen Gesellschaft manifestieren, wobei auch die soziale Kehrseite dieses Systems sichtbar wird? Ein solches System funktioniert nur durch strikte Einhaltung von Regeln und Befehlen, durch täglichen Drill und die Aufgabe jeglicher persönlicher Bedürfnisse zugunsten eines sogenannten „Kadavergehorsams“.

Angesichts der engen, kalten und kargen Quartiere kann man sich gut vorstellen, wie wenig Individualismus und Menschenwürde dem einzelnen Soldaten, dem einzelnen Menschen, da noch bleiben. Wer sich nicht unterordnet, nicht gehorcht, wird bestraft; wird durch den Kerker auf den Weg der Zucht und Ordnung zurückgezwungen. Von A wie ARREST bis Z wie ZUCHT tauchen für mich immer wieder Begriffe auf, die auf diese fragwürdigen preußischen Tugenden hinweisen. Ich frage mich, welche menschlichen Schicksale sich hier zugetragen haben, wie viele Tränen, Qualen und Erniedrigungen es in dieser total entindividualisierten Zwangsgemeinschaft gegeben hat, welche menschlichen Schicksale sich hier zugetragen haben. In meiner Installation möchte ich beim Durchschreiten der Wortfolien die Begegnung mit diesen Begriffen persönlich und körperlich erfahrbar machen.