Freitag, 1. September 2017

16. Werner Müller






fabula faba

Die historischen Zeitgärten, die den Anbau von Nutzpflanzen in den Epochen Jungsteinzeit, Römerzeit, Mittelalter und die 1950er Jahre thematisieren, stehen für das in der Vergangenheit universelle Bestreben der Nahrungsmittelselbstversorgung.
Die Gegenwart der beispielhaften historischen Gärten innerhalb der Festung stellt die assoziative Verbindung zu Fragen bzgl. der dort herrschenden Lebensbedingungen her - besonders in Zeiten der Belagerung und/oder der wirtschaftlichen Knappheit. Mit meinen Wandobjekten möchte ich diese Gedankengänge konkretisieren und verdichten.
Dabei kommt unter anderem der Hülsenfrucht eine tragende Rolle zu. Ist sie, die als „Dicke Bohne“, „Puffbohne“, „Ackerbohne“ oder auch „Saubohne“ bezeichnet wird, doch seit vielen Jahrtausenden ein wichtiges Gemüse für die Menschheit. Da sie als sehr robust gilt und nur relativ geringe Bodenansprüche stellt, war sie schon sehr früh als Kulturpflanze geeignet. Durch ihren reichlichen Stärke-, Eiweiß- und Vitamin-C-Gehalt zählte sie lange Zeit zu den unentbehrlichen gesunden Nahrungsmitteln, gerade für die arme Bevölkerung. Beim Militär waren Bohnen immer schon Teil der Heeresverpflegung, galten als nahrhaft und beliebt; Bohnenmehl dient der Herstellung von Heereskonserven. Die getrockneten Kerne sind außerdem hervorragend geeignet zur Vorratshaltung und hatten auf diese Weise stets eine besondere Bedeutung in Phasen materieller Knappheit oder in Kriegszeiten. Bei Mangel an Brotgetreide wurden Hülsenfrüchte als Streckmittel genutzt; man buk die sogenannten „Kriegsbrote“.
Die auf den ersten Blick vermeintlich simple Bohne entpuppt sich auf den zweiten Blick als hoch komplex, ist sie doch nicht nur Nahrungsmittel, sondern Bestandteil einer alten und hoch spezialisierten Kultur. Bohnen sind daher geeignete Objekte, um assoziative Bezüge zur Festung und ihrer Geschichte herzustellen – sowohl inhaltlich als auch formal.
„[Die Bohnen] thematisieren gleichsam das Leben an sich und die Geheimnisse, die es hervorbringen und die es wiederum selbst hervorbringt. In einer Dimension, die uns gemäß ist, weil wir sie wiedererkennen, etwas mit ihr verbinden und die uns dadurch unmittelbar erreicht.“ „Sie haben etwas Ernstes, Ernsthaftes in sich, etwas Wahres, Altes, irgendein lebensrelevantes Wissen oder Vermuten. Und so erscheint es mir, als ob Werner Müller mit seinen Bohnen das Leben und die Prozesse von Entstehen und Vergehen an sich thematisiert und den Betrachtungsmoment zum Berührungsmoment werden lässt.“[1]


[1] Christina Biundo, Einführungsrede Ausstellung fabula faba, 2015, Galerie Junge Kunst Trier