Freitag, 1. September 2017

18. Violetta Richard








nachGang.37

An der Arbeit zu Nexus III interessiert mich die Ambivalenz, die die Festung Ehrenbreitstein ausstrahlt, zwischen Militär und Kultur mit Blick auf das Preußentum. Bis heute ist das Wirken von Preußen in vielen Bereichen zum Teil auch nur versteckt zu finden. Augenscheinlich sichtbar wird z. B. noch heute die Pickelhaube in der Gebärdensprache als Zeichen für „deutsch / Deutschland“.
Auf der einen Seite ist da ein zentralisierter Verwaltungsapparat und eine der größten Streitmächte Europas, deren Einfluss zu verdanken ist, dass die sogenannten preußischen Tugenden wie Ordnung, Disziplin, Gehorsam, Pünktlichkeit, Fleiß, Pflichtbewusstsein, Sparsamkeit etc. allgemein Beachtung fanden und gesellschaftlich verankert wurden. Auf der anderen Seite, mit der Einrichtung eines der ersten Kultusministerien Europas, war Preußen geprägt von einer hohen Kulturstaatlichkeit, von Weltoffenheit und Toleranz gerade den Religionen gegenüber. Bildung wurde gefördert.
Mir stellt sich die Frage, welchen Raum diese Tugenden noch heute einnehmen – was hat sich verfestigt, was schwingt mit, was wurde aufgebrochen? Müssen sich die preußischen Tugenden verstecken oder haben sie das Zeug zu überzeugen? Sind Bescheidenheit, Redlichkeit, Geradlinigkeit in Zeiten eines zügellosen Konsumverhaltens nicht zunehmend zurückzuerobern? Wo ist der Schöngeist eines „Alten Fritz“ verlorengegangen? Oder was macht ein Verwaltungsapparat mit der Menschlichkeit?Die Arbeit ist im Innenbereich zu sehen, zerlegt in einzelne Teile, fast schon versteckt in schachtähnlichen Nischen; man muss sich von Ort zu Ort bewegen. Man erfährt bruchstückhaft eine Suche nach dem Wesentlichen. Es gibt ein verbindendes Element, jedoch keinen Blick auf das Ganze. Der „Preußische Telegraphencode“, der Berlin und Koblenz in den Jahren 1832 bis 1849 verbunden hat, ist mir in seiner abstrakten und reduzierten Form ein treffendes Mittel, um die einzelnen Nischen in Abfolge des Alphabetes zu verbinden. Zentrales Thema und Ausgangspunkt meiner künstlerischen Arbeit ist die Frage nach Raum, Licht, Zeit, Grenze und deren Auflösung. Unsere Wahrnehmung ist begrenzt, der Blick fängt nur einen Teil ein, wandert umher, will (oder sollte) „um Ecken denken“, fokussiert, lässt los und verliert sich an den Rändern. Das Dazwischen interessiert mich.

nachGang.37 „Wegbeschreibung“
Achtung! am Anfang war das Wort aufklärerisch steht die Idee
Breitbeinig im Raum und wälzt sich hinweg über das zerfallene
Chaos im Einzelnen behauptet sich der
Drang zu binden zu bilden Erziehen ist alles
Erobert sich das Feld der Verdrossenheit
Fahnenschwenkend bricht der Alte Fritz fesch tätschelnd
Größenwahnsinnig Gemüter gemach des gewohnten Ganges
Hofiert der gute Soldat der Tugend im guten Glauben
Irrt umher auf Kosten des Fußvolks mit Füßen getreten die 
Jahrmarktspreise preisen an was kostet die
Kunst gleichsam hofiert pünktlich noch einen Knicks und
Lob und Tadel versprühen keine Blöße im Schoße der
Mutter marschiert aufrecht mitnichten dennoch aufrichtig
Nimmermehr fleißig am Herd der Herrschaft
Ordnung muss sein Bescheidenheit geht anders.
Prunkstück ist’s die Pickelhaube? oder ist's
Quer gedacht der Pimmelkopp? politisch nicht korrekt am
Rande der Gesellschaft fallen wir kopflos
Sparsam gestutzt ins Spärliche _ kauert die
Toleranz als in die Ecke Getriebene
Ummauert jedweden Strohhalm umklammernd
Verzweifelt die Verführten treibend zu
Weltoffenheit und bei Gott nicht willenlos zu
Xenophobie zerfällt im Gerechtigkeitssinn fällt mir zu
YouTube nichts mehr ein als
Zügellose Eitelkeit zerfleischt sich selbst.
. Punktum Zurückhaltung hilft nicht weiter geht's mit
0 wie Nullnummer... rechnet sich nicht in die Zukunft.
1 wie einzigartig ist jeder von uns!
2 wie zweisam, aber auch allein ist nicht jeder einsam.
3 wie Dreifaltigkeit ist nicht die einzige Wahrheit.
4 wie viergeteilt können wir auch nicht alles meistern.
5 wie Fünfe lass mal grade sein.
6 wie Sex lässt sich nicht bewerten.
7 wie sieben auf einen Streich
8 wie achtsam ist noch nicht dein Tun.
9 wie alle neune fallen wir irgendwann alle um.
 


work in progress:
 





Violetta Richard


Atelier

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