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Foto: Susann Becker |
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Foto: Susann Becker |
Global
Goldglänzend stehen sie da in lockerer Formation als
Feld von fünfeinhalb mal dreieinhalb Metern, mal vereinzelt, mal in
Verdichtungen: Hunderte leerer Patronenhülsen unterschiedlicher Größe. Sie sind
mit ihrer flachen Zünderseite am Boden aufgestellt und werfen je nach
Lichtverhältnissen Schatten. Das verleiht der Installation den Eindruck realer
Ansammlungen von Menschen oder größeren Gegenständen. Man könnte sie als
Menschenmenge sehen, die hier zum Appell bestellt ist oder die zu einer
Demonstration zusammengekommen ist. Beide Assoziationsmöglichkeiten passen zu
einem gesellschaftlichen Ereignis, das 2001 konkreter Ausgangspunkt für diese
Arbeit von Raffael Rheinsberg gewesen ist: der G8-Gipfel in Genua, jenes
Treffen der weltumspannenden Wirtschaftsgiganten, das im selben Jahr in der
italienischen Hafenstadt für ausgesprochen negative Schlagzeilen sorgte. Dass
ein Demonstrant dabei durch einen Kopfschuss aus einer Polizeipistole getötet
wurde, war nur die Spitze der Vorkommnisse, die auch im intensiven Nachgang bis
heute nicht vollständig aufgeklärt sind. Unverhältnismäßige Angriffe von
Polizeitruppen auf friedliche Demonstranten und Reporter bis hin zu Folter und
brutalem Zusammenschlagen zahlreicher wehrloser Menschen durch die Beamten
führte nicht nur in Italien zu Demonstrationen von Hunderttausenden Menschen,
sondern auch zu zahlreichen Prozessen und Verurteilungen derer, die ihren
Dienststatus missbraucht hatten. Global nannte Rheinsberg seine Installation
mit den Patronen, die er vermutlich auf dem Sprengplatz im Grunewald gefunden
hatte. Noch 2001 stellte er sie erstmals im Göttinger Kunstverein aus,
unmittelbar darauf im Marburger Kunstverein und in der Kieler Stadtgalerie.
Derartige Reflexe zählten bei Rheinsberg zur Grundhaltung seines
Kunstverständnisses, das er bereits 1975 in einem Manifest formuliert hatte:
„interessensmittelpunkt der kunst, die ich vertrete, ist die existenz des
menschen“. Und 1977 schrieb er, dass der Kunst eine besondere Rolle zukomme,
weil nach meiner Meinung der Künstler eine gewisse Verantwortung in Bezug auf
unsere Gesellschaft trägt.
Die Werke, die Raffael Rheinsberg dazu schafft, haben stets symbolisch-ironischen Charakter. Dabei bedient er sich der „Sprache der Gegenstände“, wie er es ausdrückt, und er baut auf das Assoziationsvermögen der Betrachter. So stellen die leeren Hülsen der Installation Global einerseits einen direkten sachlichen Bezug zu den Polizeischüssen von Genua her, sie schaffen aber auch durch ihre massenhafte Aufstellung jene Assoziationsmöglichkeiten zu Menschenmassen. Allerdings geht die Arbeit in ihrer Bedeutung weit über den Aspekt Genua hinaus, spricht sie doch auch ohne das Wissen um derartige Bezüge ihre Material- und Formensprache, die „Sprache der Gegenstände“ – die in diesem Fall letztlich gegen sich selbst gerichtet ist. Auch wenn Ordnung und Ästhetik dabei irritieren mögen – auch dies ist ein ironisches, ja zuweilen zynisches Prinzip des Künstlers. Ihm geht es um die Anklage gegen jeglichen Militarismus und Waffenfetischismus, um das Einfordern von Nachdenken und Friedfertigkeit. In zahlreichen Installationen hat Raffael Rheinsberg dieses Thema angesprochen, sei es in seiner Kieler Koffermauer-Klagemauer von 1977, in seiner Bombeninstallation Helden in der Berliner Nikolaikirche 2002 oder in seinen gemeinsamen Ausstellungen mit Lilli Engel, etwa im Berliner Olympia-Stadion 1989 sowie 2009 und 2013 in den Kriegsbunkern von Berlin und Kiel.
Die Werke, die Raffael Rheinsberg dazu schafft, haben stets symbolisch-ironischen Charakter. Dabei bedient er sich der „Sprache der Gegenstände“, wie er es ausdrückt, und er baut auf das Assoziationsvermögen der Betrachter. So stellen die leeren Hülsen der Installation Global einerseits einen direkten sachlichen Bezug zu den Polizeischüssen von Genua her, sie schaffen aber auch durch ihre massenhafte Aufstellung jene Assoziationsmöglichkeiten zu Menschenmassen. Allerdings geht die Arbeit in ihrer Bedeutung weit über den Aspekt Genua hinaus, spricht sie doch auch ohne das Wissen um derartige Bezüge ihre Material- und Formensprache, die „Sprache der Gegenstände“ – die in diesem Fall letztlich gegen sich selbst gerichtet ist. Auch wenn Ordnung und Ästhetik dabei irritieren mögen – auch dies ist ein ironisches, ja zuweilen zynisches Prinzip des Künstlers. Ihm geht es um die Anklage gegen jeglichen Militarismus und Waffenfetischismus, um das Einfordern von Nachdenken und Friedfertigkeit. In zahlreichen Installationen hat Raffael Rheinsberg dieses Thema angesprochen, sei es in seiner Kieler Koffermauer-Klagemauer von 1977, in seiner Bombeninstallation Helden in der Berliner Nikolaikirche 2002 oder in seinen gemeinsamen Ausstellungen mit Lilli Engel, etwa im Berliner Olympia-Stadion 1989 sowie 2009 und 2013 in den Kriegsbunkern von Berlin und Kiel.
Die Werke, die Raffael Rheinsberg dazu schafft,
haben stets symbolisch-ironischen Charakter. Dabei bedient er sich der „Sprache
der Gegenstände“, wie er es ausdrückt, und er baut auf das Assoziationsvermögen
der Betrachter. So stellen die leeren Hülsen der Installation Global einerseits
einen direkten sachlichen Bezug zu den Polizeischüssen von Genua her, sie
schaffen aber auch durch ihre massenhafte Aufstellung jene Assoziationsmöglichkeiten
zu Menschenmassen. Allerdings geht die Arbeit in ihrer Bedeutung weit über den
Aspekt Genua hinaus, spricht sie doch auch ohne das Wissen um derartige Bezüge
ihre Material- und Formensprache, die „Sprache der Gegenstände“ – die in diesem
Fall letztlich gegen sich selbst gerichtet ist. Auch wenn Ordnung und Ästhetik
dabei irritieren mögen – auch dies ist ein ironisches, ja zuweilen zynisches
Prinzip des Künstlers. Ihm geht es um die Anklage gegen jeglichen Militarismus
und Waffenfetischismus, um das Einfordern von Nachdenken und Friedfertigkeit.
In zahlreichen Installationen hat Raffael Rheinsberg dieses Thema angesprochen,
sei es in seiner Kieler Koffermauer-Klagemauer
von 1977, in seiner Bombeninstallation Helden in der Berliner Nikolaikirche
2002 oder in seinen gemeinsamen Ausstellungen mit Lilli Engel, etwa im Berliner
Olympia-Stadion 1989 sowie 2009 und 2013 in den Kriegsbunkern von Berlin und
Kiel.
[Autor: Jens Rönnau]
Raffael Rheinsberg
1943 geboren in Kiel
Lehre als Former und Gießer, MAK, Kiel
1973 Studium an der Muthesius-Kunst-Hochschule, Kiel
1979 Stipendium des Landes Schleswig-Holstein für Berlin, Künstlerhaus Bethanien
1983 Stipendium für PS1, New York
1984 Deutscher Kritiker Preis,
1988 Kulturpreis der Stadt Kiel
1994 Landes-Kunstpreis von Schleswig-Holstein
Raffael Rheinsberg starb am 27. August 2016 in Forst/Hunsrück